Besorgniserregend: Offener Brief des Kreisschiedsrichterausschusses

Leif Broßmann, 24.11.2023

Besorgniserregend: Offener Brief des Kreisschiedsrichterausschusses

Wir kennen es doch alle: Nicht immer sind wir – wie hier Markus Porst nach dem Pfiff von Schiri Steffen Krech – einverstanden mit dem Abseitspfiff, der eine gute Chance verhindert hat, hätten eine gelbe Karte nicht gegeben oder sehen ein Foul, wo der Unparteiische weiterlaufen lässt. Besonders, wenn die Entscheidungen gegen das Lieblingsteam fallen, ist es mancherorts vorbei mit der Sachlichkeit.

Der Umgangston ist rauer geworden. Diese und weitere besorgniserregende Entwicklungen schildert Tarik El-Hallag, Schiedsrichterobmann im KFA Jena-Saale-Orla, in einem offenen Brief vom 16. November 2023 und animiert jeden Einzelnen dazu dieser Entwicklung durch sein Verhalten entegegenzuwirken. Der Brief, öffentlich auf der Webseite des KFA einsehbar, im Wortlaut:

„Liebe Fußballfreunde,

wir haben auf unserer gestrigen Schiedsrichter-Ausschusssitzung einen alarmierenden Trend besprechen müssen, der sich aus der letzten Saison in diese fortgesetzt und in den letzten Wochen nochmal massiv zugenommen hat. Der Umgang von Spielern, Trainern und Zuschauern mit den Schiedsrichtern, vor allem unseren Jüngsten, wird immer mehr zum Problem. Ich möchte nicht lange drum herum reden und euch aufzeigen, womit wir in letzter Zeit zu tun hatten:

  • SR-Assistent wird auf dem Feld von Fan zur Rede gestellt und angefasst. Nach dem Spiel wurde das SR-Team von Fans verbal und körperlich attackiert. SR wird gegen eine Zuschauerin gestoßen, die sich beim Sturz gegen die Hauswand verletzt hat.
  • 17-jähriger SR wird nach einem D-Junioren-Spiel in der Kabine massiv bedrängt, sodass dieser in Tränen ausbricht.
  • Trainer bedroht nach dem Spiel den SR und muss von mehreren Personen zurückgehalten werden. In der Sportgerichtsverhandlung wiederholt respektloses und einschüchterndes Auftreten.
  • 16-jähriger SR wird in der Schule von einem Trainer angerufen und zu Spielszenen befragt.
  • SR wird nach dem Spiel aufgrund eines Sonderberichts (SR-Beleidigung) wegen Verleumdung verklagt.
  • 16-jähriger SR wird in einem C-Junioren-Spiel von Zuschauern beleidigt und bedroht. Ihm wurde mit angezündetem Feuerzeug gedroht, seine Sachen anzuzünden. Nach dem Spiel wurde seiner Mutter, die auch anwesend war, gesagt, sie solle ihn am Abend schlagen.
  • 16-jähriger SR wird nach einem C-Junioren-Spiel beim Abgang massiv von Fans beleidigt. Anschließend wird er vom Trainer in seiner Kabine in aggressiver Tonlage „zur Rede gestellt“ und beschuldigt, die Fans beleidigt zu haben.
  • 14-jähriger SR-Assistent wird während des Spiels von einem Spieler, der als Zuschauer anwesend war, mit kleinen Stöckchen und Steinchen beworfen.

Das sind alles Fälle aus DIESER Saison! Einige davon aus den letzten 2-3 Wochen. Was in diesen extremen Vorfällen, die an uns herangetragen werden, noch gar nicht ausgedrückt wird, ist der generell immer rauer werdende Umgangston auf den
Sportplätzen. Kurt-Louis Weidhase, ein junges, aufstrebendes SR-Talent, das seit vielen Jahren mit Spaß an der Schiedsrichterei Spiele leitet und auf vielen Plätzen gern gesehen wird, hat uns kürzlich um eine Pause gebeten. Ihn haben das ständige Gemecker und Diskutieren bei klarsten Entscheidungen, die negative Stimmung insgesamt gegen Schiedsrichter mit der Zeit mental so mitgenommen, dass er sich schweren Herzens erstmal zu diesem Schritt entscheiden musste.

Immer öfter haben wir in letzter Zeit am Abend Telefonate führen müssen, weil Schiedsrichter mit Situationen aus ihren Spielen überfordert waren und teilweise auch Aufbauarbeit gebraucht haben. Immer öfter werden unsere Ansetzer von Trainern oder Vorsitzenden per Anruf oder mit herablassenden Nachrichten auch ‚aufgefordert‘, einen anderen Schiedsrichter anzusetzen, weil der andere ‚zu schlecht‘ für seine Mannschaft sei. Fehlverhalten wird mit (angeblichen) Fehlentscheidungen gerechtfertigt, Beleidigungen werden mit Emotionen erklärt und ‚wer das nicht abkann, hat im Fußball nichts verloren‘. Wir können und werden nicht länger dabei zuschauen und werden bereits jetzt auch über den offenen Brief hinaus Konsequenzen ziehen.

Bei drei Mannschaften haben wir uns dazu entschieden, als Maßnahme keine Schiedsrichter zu einem Spiel anzusetzen. Wir erwarten von diesen Vereinen eine Aufarbeitung der Fälle und Maßnahmen, wie die SR vor solchen Vorfällen in Zukunft besser geschützt werden können. Wir behalten uns dieses Vorgehen bei weiteren Vorfällen in Zukunft genauso bei anderen Mannschaften vor. Uns ist bewusst, dass diese Maßnahme nicht bei allen für Verständnis sorgen wird und dass mit Sicherheit auch Sportfreunde darunter leiden werden, die sich immer korrekt verhalten und für die aktuelle Situation nichts können. Die Masse an Vorfällen im Kreis hat uns aber einstimmig und ohne Umwege zu diesem Schritt geführt und muss für einen ‚Hallo Wach Effekt‘ bei Allen sorgen!

Wir werden mit Konsequenzen nicht weiter abwarten, bis vielleicht wirklich noch schlimmere Dinge passieren. Darüber hinaus schadet es uns Allen und vor allem der Sache, für die wir das Ganze eigentlich machen: Fußball! Es kann nicht sein, dass Jugendliche bei ihrem Hobby – oftmals von Eltern/Erwachsenen, die Vorbild sein sollten – so dermaßen angegangen werden, dass ihnen die Freude am Schiedsrichter sein vergeht oder sie nach solchen Ereignissen völlig aufgewühlt schwer in den Schlaf finden! Vielen ist vielleicht auch gar nicht bewusst, was für einen Schaden solch massive Beleidigungen oder sogar eine Bedrohungslage bei manchen auch langfristig anrichten kann.

Wir erwarten und appellieren wieder an ein stärkeres Miteinander für die gemeinsame Sache. Gerade wir alle mit Vorbildfunktion – Schiedsrichter, Trainer, Vereinsvertreter, Eltern – ihr alle wisst, wieviel Zeit investiert wird und wieviel Freude es eigentlich macht – müssen zusammenhalten gegen die, die Negativität und Aggressionen auf unsere Plätze bringen!

Sportliche Grüße


Tarik El-Hallag (Kreisschiedsrichterobmann)
im Namen des gesamten SR-Ausschuss des KFA Jena-Saale-Orla“

 

Der FSV Schleiz e. V. möchte an dieser Stelle alle Eltern, Trainer, Verantwortliche und aber auch alle Fans und Zuschauer darauf hinweisen, stets sachlich zu bleiben. Meinungsverschiedenheiten sind bei einem Duell zweier Mannschaften, in deren Mittelpunkt der Schiedsrichter das Spiel leitet, völlig normal. Man darf sich auch über die Entscheidungen aufregen, wenn sie in einer bestimmten Situation besonders frustrierend sind.

Dabei sollte man jedoch NIE diese angesprochene Sachlichkeit verlieren, persönlich werden, die Unparteiischen beleidigen oder gar körperlich bedrängen. Mit Blick auf die Juniorenspiele ist darauf besonders zu achten. Jedes noch so vermeintlich kleine und ebenso unbedachte Wort kann die soziale Entwicklung der Kinder und deren Wertevorstellungen prägen.

Dem schließt sich auch Heiko Marschall, Schiedsrichterbeauftragter des FSV Schleiz e. V., an und gibt zu bedenken: „Fairplay sowie gegenseitiger Respekt bzw. der Respekt vor Gegner und eben auch dem Schiedsrichter sollten selbstverstänlich sein!“

Kommt ein Schiedsrichtergespann auf den Sportplatz am Fasanengarten, wird es von einem Schild an der Schiri-Kabine begrüßt. Dessen Aufschrift:

OHNE EUCH ROLLT KEIN BALL!
DANKE


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